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Extremismusprävention und Deradikalisierung

Zu sehen ist ein Deradikalisierungsverlauf, anhand von einer Person, die die verschiedenen Stadien durchläuft.
Jeff Hemmer

Die Abbildung stellt die Geschichte der Radikalisierung und Deradikalisierung einer Person aus einer extremistischen Szene dar. Die Geschichte beginnt unten rechts mit den kleinen Figuren und liest sich im Uhrzeigersinn.
Die Zeichnung soll verdeutlichen, welche Gefahren extremistische Ideologien für Betroffene und die Gesellschaft darstellen können und wie wichtig es ist, Betroffenen Auswege offen zu halten.

Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft führen in eine Sackgasse.

Dies zeigt, welchen grundsätzlichen Wert Beratungs– und Ausstiegsangebote für unsere freiheitliche, pluralistische Gesellschaft haben. Radikalisierung ist häufig durch Identitätsfragen sowie negative Erfahrungen, wie Ausgrenzung und Diskriminierung bedingt und Verbote allein bieten hier keine Lösung.
Gute Extremismusprävention braucht neben einer gelingenden Strafverfolgung und Gefahrenabwehr Toleranz und Zivilcourage sowie Achtsamkeit und eine stets ausgestreckte, helfende Hand.

Extremismusprävention und Deradikalisierung

Der Begriff Prävention ist seit Langem im Gesundheitsbereich gebräuchlich und beschreibt Maßnahmen zur Vorbeugung gesundheitlicher Schäden. Bei der Extremismusprävention geht es darum, Schäden vorzubeugen, die für die Gesellschaft und für Betroffene durch extremistische Ideologien entstehen können. Insbesondere junge Menschen in schwierigen Lebensphasen sind durch extremistische Ideologien gefährdet und können durch Präventionsmaßnahmen geschützt werden. Im schlimmsten Fall geht es aber auch um die Vorbeugung von extremistisch motivierten Gewalttaten und Anschlägen. Wie bei der Gesundheitsprävention wird auch bei der Radikalisierungs- bzw. Extremismusprävention zwischen Primär-, Sekundär-, und Tertiärprävention unterschieden. Andere ebenfalls häufig verwendete Begriffe sind universelle, selektive und indizierte Prävention.

Maßnahmen der primären und der sekundären Prävention liegen in Bremen in erster Linie im Bildungs- und im Sozialressort, während KODEX für den Bereich der tertiären Prävention für den Bereich des religiös begründeten Extremismus zuständig ist. Für die Sozialbehörde koordiniert das Demokratiezentrum Bremen die Maßnahmen des Bundesprogramms „Demokratie Leben“. Eine gute Übersicht über die aktuellen, vielfältigen Maßnahmen der Extremismusprävention in Bremen auf allen Ebenen lieferte ein Artikel im Weserkurier vom 17.10.2019(1).

Die primäre (universelle) Prävention zielt auf keine spezifische Gruppe, sondern allgemein auf eine Verbesserung der Abwehrkräfte (Resilienzen) gegenüber bestehender Risiken. Im Bereich der Radikalisierungsprävention sind dies insbesondere Maßnahmen an Schulen und in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, welche auf eine Stärkung demokratischer Grundwerte, sozialer Kompetenzen, Partizipation und auf Sensibilisierung und Aufklärung abzielen.

Die sekundäre (selektive) Prävention umfasst Maßnahmen, die auf bereits vorhandene Gefährdungsmomente und auf bestimmte Risikogruppen fokussieren und dabei auf Vorbeugung durch Förderung und Hilfe, Stützung und Intervention in besonderen Lebenslagen setzen. Selektive Prävention beschäftigt sich mit Gruppen oder Individuen, welche bereits bestimmte Risikofaktoren bezüglich einer möglicherweise bevorstehenden Radikalisierung aufweisen. Den empirisch identifizierten Ziel- oder Personengruppen soll in schwierigen Lebenssituationen gezielte Hilfe angeboten werden.

Tertiäre (indizierte) Prävention beschreibt die Arbeit mit Menschen, die aufgrund ihrer extremistischen Radikalisierung eine potentielle Gefahr für sich und andere darstellen. Es handelt sich um Hilfsangebote oder Interventionen, die versuchen einen Prozess der Radikalisierung zu stoppen und eine Distanzierung herbei zu führen. Die tertiäre Prävention greift dann, wenn ein Mensch bereits problematische Entwicklungsschritte einer extremistischen Radikalisierung durchlaufen hat. Maßnahmen der tertiären Prävention können auch Hilfsangebote an das familiäre Umfeld der radikalisierten Person umfassen. Tertiäre (indizierte) Prävention richtet sich also an Personen, die in gewaltaffinen Milieus aktiv sind.

Der Extremismusexperte Peter Neumann beschreibt das Ziel der tertiären Prävention bzw. die Deradikalisierung mit dem einfachen Satz: "Die auf den ersten Blick einfachste Betrachtungsweise der Deradikalisierung ist die Umkehrung des Prozesses, durch den eine Person zum Extremisten wurde"(2). Dies verdeutlicht die Komplexität dieser Arbeit, denn jeder Radikalisierung liegt eine individuelle Geschichte und eine individuelle Persönlichkeit zu Grunde. Prozesse der sogenannten Deradikalisierung oder Distanzierung sind individuell, komplex und tendenziell langwierig. Das Mindestziel der tertiären Prävention sollte eine Demobilisierung (disengagement) sein. Das heißt, dass eine Person sich aus dem gewaltaffinen Milieu zurückzieht und sich vom bewaffneten Kampf und dessen Befürwortung distanziert. Die Umsetzung von Maßnahmen der tertiären Prävention obliegt in der Regel erfahrenen Fachkräften der sozialen Arbeit, die gemeinsam mit den Betroffenen einen individuellen Plan entwickeln. Eine Bereitschaft zur Mitwirkung seitens der Betroffenen, bzw. der Wunsch etwas an der eigenen Lebenssituation zu ändern, ist dabei essentiell.

Weiterführende Informationen und Lesetipp:

Weiterführende, umfassende Perspektiven auf das Thema bietet die Bundeszentrale für politische Bildung in einer Beitragsreihe, in welcher 20 Thesen zu guter Präventionspraxis von führenden Expert*innen diskutiert werden.

Für einen spezifischen Blick auf die Perspektive der Sicherheitsbehörden ist der Beitrag „Islamismusprävention aus Sicht der Sicherheitsbehörden“, von Dr. Hazim Fouad für die Konrad Adenauer Stiftung empfehlenswert.

Fußnoten

(1)https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-wie-bremen-mit-extremismus-umgeht-_arid,1868473.html letzter Zugriff 30.10.2019.
(2)Neumann, Peter (2013): Radikalisierung, Deradikalisierung und Extremismus. In: Apuz. Aus Politik und Zeitgeschichte, 63 (29-31), S. 7.